Achtsamkeit - Ist das Esoterik? Was ist mit Bewusstheit?

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  • Was ist Esoterik?
  • Was ist Achtsamkeit?
  • Was ist Bewusstheit?
  • Was ist Flow?

In diesem Artikel möchte ich möglichst einfach mit ein paar Missverständnissen aufräumen und den Bezug zu meiner Arbeit mit der kognitiven Verhaltenstherapie, genauer der piKVT, herstellen.

 

 

 

Angeregt zu diesem Artikel wurde ich durch eine Unterhaltung im Bekanntenkreis, in der die erste Frage oben im Titel gestellt wurde. Zuvor hatte ich schon Meinungen von Menschen gesammelt, die „das Thema Achtsamkeit für ausgelutscht“ oder „für esoterischen Quatsch“ hielten.

 

 

 

Es gibt sehr kompakte, aber auch sehr ausführliche Antworten zu diesen obigen Fragen und auch sehr ausführliche, vielschichtige Definitionen dieser Begriffe, die seitenlange Einträge in den Enzyklopädien füllen können. Ich will mich auf ein paar Aspekte und eventuelle Überschneidungen beschränken.

 

 

 

Spontan fällt mir zu den Fragen und als Brücke zu meiner Arbeit ein Zitat des hochgeachteten Viktor Frankl ein, der als Neurologe und Psychiater Mitte des 20. Jh. großartige Beiträge zur Psychotherapie geleistet hat:

 

 

 

"Ich habe noch keinen Fall von Neurose gesehen, bei dem nicht als letztes Problem und als letzter Konflikt, wenn man es so nennen will, sich eine ungelöste metaphysische Frage enthüllt hätte."

 

 

 

Was soll das heißen? Für mich übersetze ich das vereinfacht folgendermaßen: Solange ich mit dem Sinn des Lebens hadere oder mich mit Fragen beschäftige, die für das Leben im Hier&Jetzt nicht hilfreich sind, laufe ich Gefahr, ins Leiden zu gehen.

 

Dinge, die ich nicht sicher wissen kann, kann ich nur glauben. Ich habe die Freiheit, vertrauensvoll oder optimistisch zu glauben oder misstrauisch und pessimistisch. Was ist im Moment hilfreicher?

 

Was ist Esoterik?

 

Glauben verbinde ich im weitesten Sinne mit Esoterik. Esoterik heißt soviel wie „Geheimwissen“ oder auch „Mystik“. Als Adjektiv wird „esoterisch“ oft eher abwertend als „versponnen“ oder ähnlich verwendet.

 

 

 

Letztlich kann ich, trotz aller Wissenschaft, nicht alles wissen. Es wird immer Grenzbereiche geben, jenseits derer ich glauben muss. Die rein hedonistische Frage ist für mich immer wieder: „Nutzt mir das?“

 

 

 

Interessanterweise hat der amerikanische Psychiater Harold G. Koenig eine große Metastudie gemacht (http://dx.doi.org/10.5402/2012/278730), in der er einen positiven Zusammenhang zwischen religiösen/spirituellen Glaubenssätzen und psychischer Gesundheit gefunden hat. Es ist somit also wissenschaftlich nachweisbar, dass Spiritualität etwas Gutes haben kann.

 

 

 

Also, warum nicht einfach selber ausprobieren? Unabhängig von Glauben kann ich einfach selbst erfahren, wie Achtsamkeitstechniken wie MBSR (mindfulness based stress reduction) bei mir selbst wirken und ob sie mir nutzen.

 

 

 

Mir ist dabei klar, dass Achtsamkeit nicht durch eine einzelne Meditation erfahren werden kann und dass Puristen zu Recht sagen, dass Achtsamkeit keine Technik ist, sondern eine Haltung.

 

 

 

Leider gibt es zum Thema „Achtsamkeit“ aber auch schwarze Schafe, die nach einer Meditation schon „Erweckungserlebnisse“ versprechen – sicherlich ist dies eher an „esoterischem Quatsch“ dran.

 

 

 

 

 

Was ist Achtsamkeit?

 

 

 

Achtsamkeit basiert auf uralten buddhistischen Vorstellungen. Es handelt sich um eine Übung, in der der aktuelle Moment in seiner Gänze wertfrei angenommen wird, wie er ist. Das mag zunächst trivial und einfach klingen, ist es aber für gewöhnlich nicht, weil wir es nicht gewohnt sind.

 

 

 

Wie Eckhart Tolle sagt, fühlen wir uns üblicherweise mit unserem denkenden Verstand identifiziert. Das heißt, wir glauben unsere Gedanken, obwohl sie nicht die Realität sind. Manchmal glauben wir sogar, wir wären unsere Gedanken, dabei haben wir diese Gedanken lediglich. Die Gedanken sind nur im Kopf. Und diese Gedanken drehen sich normalerweise um die Vergangenheit (z.B. „Was habe ich / jemand Anderes wann gemacht und warum, was hätte anders sein können?“) oder um die Zukunft (z.B. „Was könnte morgen/demnächst alles passieren und was wären die möglichen Konsequenzen?“). Unser konditioniertes Ego stiehlt uns damit permanent den Zugang zum Hier&Jetzt. In meiner Arbeit verwende ich dafür auch den Begriff „Troll“ dafür. Andere nennen ihn „Saboteur“.

 

 

 

In der Achtsamkeitsmeditation lerne ich z.B. meine Aufmerksamkeit gezielt durch den Körper „reisen zu lassen“ (body scan) und meinen Atem, meine Gefühle und Gedanken wahrzunehmen. Diese Gedanken und Gefühle und meine Wahrnehmungen lasse ich weiterziehen wie Wolken am Himmel. Durch diese Haltung komme ich vom Kopf in den Körper. Damit komme ich letztlich vollständig im aktuellen Moment an und erkenne, dass ich nur JETZT lebe.

 

 

 

Da eine wichtige Ursache von Stress ist, dass ich woanders sein möchte als wo ich gerade wirklich bin oder, dass ich bestimmte Umstände anders haben möchte als sie gerade sind, hilft die wertungsfreie Annahme dabei, den Stresspegel zu senken.

 

 

 

Wenn ich z.B. im ICE von München nach Hamburg fahre, kann ich mich darüber aufregen, dass der Zug verspätet ist, dass er zwischen Würzburg und Hannover durch über 50 Tunnel fährt und ich deswegen an einem sonnigen Tag schlecht ein Buch lesen kann oder dass eine junge Familie vom Reservierungssystem ins Ruheabteil platziert wurde und mich der Kinderlärm stört. Ändern kann ich an all den Umständen eher wenig. Ich kann aber eine Achtsamkeitsübung machen und damit mein Hier&Jetzt deutlich besser und stressfreier erleben. Vielleicht komme ich dann dahin, die geschenkte Zeit sogar zu genießen, mit einem Nachbarn ins Gespräch zu kommen oder mit den Kindern der Familie zu spielen.

 

 

 

Persönlich sehe ich in der Achtsamkeitsübung nichts Mystisches oder Versponnenes. Eher würde ich es als Training meiner Aufmerksamkeit und Akzeptanz bezeichnen.

 

 

 

 

 

Was ist Bewusstheit?

 

 

 

An der Grenze meines Körpers nehme ich bei der Meditation oder Bewusstheitsübung wahr, wie der Kontakt zur Aussenwelt ist: Wie sitze ich, wo werde ich getragen? Ausserhalb meines Körpers nehme ich alles wahr, was meine Sinne in diesem Moment wahrnehmen können – auf allen „Submodalitäten“ der 5 Sinne: Sehen, Hören, Bewegungs-/Lage-/Tastsinn, Riechen, Schmecken.

 

 

 

Anders als bei der Achtsamkeit, in der ich meine Wahrnehmung im Moment weit öffne, fokussiere ich mich in der Bewusstheit auf meine Gedanken/Bewertungen und Gefühle.

 

 

 

Zunächst reicht es, sich der Bewertungen bewusst zu werden, da diese Bewertungen wiederum Gefühle auslösen. Wenn ich z.B. eine Wahrnehmung als bedrohlich bewerte, bekomme ich Angst.

 

 

 

Damit schließt sich der Bogen zu meiner Arbeit und zur KVT, der kognitiven Verhaltenstherapie, die bei der die als belastend empfundenen Gefühle durch Veränderung der Bewertungen in angenehmere Gefühle umgewandelt werden.

 

 

 

Außerdem ergänzt Bewusstheit die Achtsamkeit. Durch die bewusste Fokussierung auf die Gedanken kann ich mir entweder die Gedanken genauer ansehen oder die Lücke zwischen den Gedanken erkennen und vergrößern (z.B. durch die Mauselochübung).

 

 

 

Auch diese Übung hat nichts Esoterisches für mich.

 

 

 

 

 

Was ist Flow?

 

 

 

Flow ist als Glücksgefühl beschrieben, in dem jemand völlig im Moment in seiner (komplexen) Tätigkeit aufgeht, am Optimum zwischen Unter- oder Überforderung. Durch das Aufgehen im Moment, wird ein Zustand erlebt, der oft mit „Weltvergessenheit“ beschrieben wird. Es kann bis hin zu Trance-Erlebnissen kommen – nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch in Gruppen.

 

 

 

Auch, wenn sich die Person im Flow ganz im Erleben des Moments befindet, sind mir einige wesentliche Unterschiede zu den Punkten oben wichtig:

 

 

 

1) Flow ist ein Zustand, keine Übung oder Technik

 

2) Flow ist eine vor allem eine Ablenkung durch Tätigkeit und damit deutlich zu unterscheiden von Achtsamkeits- oder Bewusstheitsübungen.

 

3) Flow lässt sich als Zustand nicht herstellen – anders als die Zustände in den obigen Übungen.

 

4) Flow kann unter bestimmten Umständen sogar gefährlich sein, wenn jemand in einer riskanten Situation die Übersicht über gefährliche Aspekte verliert.

 

 

 

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